Alice Zanolla

Einstiegspost

„Eigentlich hat der Tag so schön angefangen…“, murmelte die 21-Jährige, als sie aus dem stark beschädigtem Hogwarts-Express ausstieg.
Ihr Tag hatte wirklich schön begonnen. Ihre ganze Familie hatte sich an diesem Morgen des ersten Septembers sehr herzlich von ihr verabschiedet, und ihr gesagt, wie sehr sie sich auf das Wiedersehen im Sommer oder vielleicht schon zu Weihnachten freuten. Ihre Eltern hatten die üblichen Sorgen ausgesprochen, ihr gesagt, sie solle vorsichtig sein und auf sich aufpassen.

Sie war angewidert, wie schnell solche Bitten zu bitterem Ernst werden konnten.
Wie viele Eltern hatten sich genauso von ihren Kindern verabschiedet und würden sie nun nie wieder sehen. Wie viele Schüler hatten mit ansehen müssen, wie ihre Mitschüler und Freunde von skrupellosen Männern und Frauen getötet wurden? Was waren das für Menschen, die wehrlose Kinder angriffen? Hatten sie selbst eine Familie?
Sie war angewidert von der Ungerechtigkeit dieser Welt.

Alice wusste es nicht, sie konnte sich das tatsächliche Ausmaß der Zerstörung nicht vorstellen.
Sie fühlte sich geradezu Ohnmächtig, wie sie da verloren im Regen stand und die verschiedensten Gefühle über sie und die Menschen in ihrer Umgebung hereinbrachen.
Die junge Frau atmete tief durch und versuchte zu verstehen, was in den letzten Stunden geschehen war.
Ok, Alice. Rollen wir die ganze Sache doch mal von Hinten auf.
Ich bin jetzt hier, weil der Zug endlich angekommen ist.
Davor hielt ich zwei weinende Erstklässler in den Armen, hab ihnen über das Haar gestrichen und gesagt, dass alles wieder gut wird. Und das obwohl ich Kinder nicht ausstehen kann. Normalerweise. Aber heute war alles anders, ich finde den Regen ja sogar blöd, obwohl ich ihn sonst mag…
Ok, davor habe ich einen Patronus heraufbeschworen, weil ein Dementor ins Abteil schwebte. Der Patronus kam in letzter Sekunde, denn zu diesem Zeitpunkt war er schon fast dabei eines der quirligen Kinder auszulutschen und ich wünschte mir besser in praktisch angewendeter Dementorenverjagung zu sein.
Davor saß ich in einem Abteil mit diesen zwei reizenden Kindern und erzählte ihnen ein wenig über Hogwarts und Zaubern und Alten Runen.
What the f*ck?! Wieso saß ich mit zwei Kindern in einem Abteil und führte mit ihnen ein wahrscheinlich nicht gerade fachbezogenes Gespräch über meine Studienfächer?
Weil ich Tobi nicht fand, als ich in den Zug kam.
„Schei*e!“
Alice rannte los und rutschte Beinahe mit ihren Schuhen auf dem rutschigem Boden aus.
„Tobi!“
Sie rannte in Richtung Kutschen und versuchte niemanden anzurempeln. Der Regen vermischte sich mit ihren Tränen. Was wenn ihm etwas zugestoßen ist?

Außer Atem und mit nassen Haaren und Klamotten sah sie ihn dann durch die Schülermenge auf die Kutschen zugehen und schlängelte sich durch die anderen um zu ihm zu kommen.
„Tobi?“

Der Student drehte sich um und sah das Mädchen, das zu ihm gerannt war an.
„ALICE!“, rief er ganz zu ihrer Überraschung. Es war selten, dass Tobias so freudig war, aber das zeigte seiner besten Freundin, wie sehr sie ihm am Herzen lag.
Er ging noch die wenigen Schritte zu ihr und umarmte sie.
„Ich bin so froh, dass es dir gutgeht“, flüsterte Alice und drückte ihn an sich.
Wieso heulte sie schon wieder? Es war doch alles in Ordnung mit ihm.
Es tat ihr so gut ihn zu umarmen. Es hatte etwas Tröstliches an sich, nach den ganzen ekligen Viechern, die durch den Zug gewuselt waren und versucht hatten undschuldige Menschen auszusaugen. Wie sehr sie Dementoren hasste.
„Schön dass es dir gut geht. Wo ist Nic?“, fragte der Schwarzhaarige und lächelte sie an.
„Um. Keine Ahnung“, antwortete Alice. Sie mochte ihn nicht besonders, aber wahrscheinlich musste sie sich damit abfinden, dass er nun mal dazugehörte. „Ich habe meine Erstklässler auf ihn gehetzt und die haben ihn dann vermutlich aufgegessen. Wusstest du, dass ich in der Zugfahrt bei Kindern saß. Bei richtigen. Und die mochten mich. Ha!“
Alice sah sich um.
„Wollen wir hier auf ihn warten, oder wollen wir schon mal zu einer Kutsche gehen?“, sie strich sich die nassen Haare aus der Stirn.
„Es soll sich aber beeilen“, sagte sie noch. Nicht das jemand denkt, sie würde gerne auf Nic warten.