Everybody needs somebody to trust

Unerbittlich kroch der Zeiger der Uhr weiter und um sechs Uhr gab Nora es auf, ans Einschlafen war nicht mehr zudenken. Sie quälte sich aus dem Bett und warf sich in ihre alte Trainingshose und einen dicken Pulli. Sie ging ins Bad, machte Katzenwäsche und schlüpfte schließlich in ihre alten, bequemen Turnschuhe. Um diese Uhrzeit war im Schloss noch nichts los, darum konnte sie es riskieren, so leger aufzutreten.

Innere Unruhe gepaart mit absoluter Übermüdung und Liebeskummer war definitiv keine guten-Morgen-Stimmung. Entsprechend schlurfte sie durch die Gänge der Universität. Als Studentin besaß sie mehr Freiheit denn als Schülerin und somit war sie auch nicht wirklich auf der Hut. Sie suchte einfach nur einen Ort, wo sie nachdenken konnte.

Doch auf dem gesamten Campus fand sie keinen und schließlich gab sie dem Impuls nach, auf den Astronomieturm zu gehen. Da sie Astronomie nicht studierte, hatte sie eigentlich keine Berechtigung, dort zu sein, doch wer sollte sie erwischen? Sie wollte einfach nur nachdenken. Und dass, obwohl sie sich eigentlich geschworen hatte, nie wieder einen Fuß auf den Turm zu setzen. Aber es war kein Vollmond. Es war mit Sicherheit ungefährlich!

Zwischendurch begegnete sie Mr Filch, der ihr am liebsten eine saftige Strafarbeit aufgebrummt hätte, aber er konnte nichts tun. Sie war keine Schülerin mehr. Für einen kurzen Moment zog Nora den Kopf ein. Ob der Hausmeister wusste, bei was seine Katze sie beim letzten Mal gestört hatte? Ob er wusste, dass sie beinahe mit einem Lehrer geschlafen hätte, wäre Mrs Norris nicht rechtzeitig aufgetaucht?

Lächelnd zog sie eilig an ihm vorbei und zog unbewusst die Ärmel weiter über ihre Hand. Nicht, dass nachher noch jemand auf die blauen Flecke aufmerksam wurde, die demonstrativ auf ihrer hellen Haut prangten und die die verräterische Form einer Männerhand aufwies. Nora seufzte. Es war sicher nicht Williams Absicht gewesen, ihr dieses Mal zu verpassen. Im Gegenteil, wenn er gewusst hätte, was für Auswirkungen seine ich-halte-dich-fest-bis-du-endlich-zur-Vernungt-kommst-Aktion hatte, er wäre bestimmt zutiefst beschämt. William war kein gewalttätiger Mann. Oder doch? Woher nahm sie die Gewissheit, ihn in soweit zu kennen, um das ausschließen zu können? Er hatte sich geändert!

Schließlich war sie beim Turm angekommen, stieg die Treppen herauf und genoss die friedliche Morgenstimmung, hier würde sie niemand stören.

Ein Blick auf seine Uhr zeigte ihm, dass er nun schon seit fast einer Stunde im Gemeinschaftsraum der Gryffindors saß und alle Gedanken an Schlaf vergessen hatte. Das wäre sowieso nichts mehr geworden. Erst 6 Uhr morgens und er war bereits wach und komplett angezogen, während vor ihm das Feuer im Kamin knisterte.
Vollkommen unmotiviert blätterte er in seinem Zaubertränkebuch herum und kritzelte einige Notizen auf dein Stück Pergament.

Nach einigen weiteren Minuten klappte er seufzend das Buch zusammen und legte es zur Seite. Langsam erhob er sich und schritt mit leisen Schritten zum Fenster. Der Anblick, der sich ihm draußen bot, war genauso trostlos, wie die Situation hier im Gemeinschaftsraum. Niemand war zu sehen.
Ein Gähnen unterdrückend, fuhr er sich durch die Haare, schnappte sich schließlich seine Lederjacke und verließ vorsichtig den Gemeinschaftsraum.

Auch auf den Gängen war kaum jemand anzutreffen. Die einzigen, die hier unterwegs waren, waren die Vertrauensschüler und einige Schlossgespenster. Raphael schlich eher, als das er ging. Schließlich wollte er nicht dabei erwischt werden, wie er früh morgens durch die Gänge lief.
Sein erster Gedanke war, sich in die Bibliothek zu begeben und dort ein paar Bücher zu durchstöbern.
Doch irgendwie zog es ihn unbewusst immer mehr Richtung Astronomieturm, bis er vollkommen überrascht vor eben jenem stand.

Mit einem wachsamen Blick sah er sich und zuckte schließlich mit den Schultern. Was soll´s? Ein bisschen frische Luft konnte gar nicht schaden. Das würde ihm vielleicht helfen, wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Irgendwie war er in den letzten Tagen etwas durch den Wind und an Schlaf war kaum zu denken.

Gemächlich erklomm er also die Treppe, bis er ganz oben angekommen war und das Dach betrat. Eine kühle Brise frischer Luft wehte ihm entgegen. Mit geschlossenen Augen blieb er einen Moment einfach stehen und sog die Luft tief in seine Lungen ein.

Raphael trat weiter auf den Turm und ließ seinen Blick über die Landschaft wandern. Dabei fiel ihm allerdings etwas auf, was ihm vorher nicht aufgefallen war und zwar war das die Tatsache, dass er nicht alleine hier oben.
Ein Stück von ihm entfernt, entdeckte er eine junge Frau und legeren Klamotten, welche ihm aber gerade nicht bekannt vorkam.
Mit einem leichten Räuspern machte er sich bemerkbar und trat ein Stück auf sie zu. „Entschuldige, ich hab nicht damit gerechnet, dass hier oben jemand ist.“

Tief in Gedanken versunken saß Nora auf dem Sims, baumelte mit den Beinen und wurde von Erinnerungen überrollt. Sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie nun heulen sollte, weil alles so verworren erschien, oder ob sie lachen sollte. Im Moment fühlte sie die Müdigkeit, die langsam ihre Glieder heraufkroch und von ihr Besitz ergriff, aber Nora wollte nicht schlafen gehen, sie hatte Angst, dass sie im Traum -

Als sie Schritte hörte, erstarrte die junge Studentin. Nein, bitte nicht, flehte sie in Gedanken und atmete erleichtert aus, als sie angesprochen wurde und anhand der Stimme erkennen konnte, dass es sich nicht um denjenigen handelte, den sie hier nun als allerletzten zu sehen wünschte - und sich auch gleichzeitig ersehnte. Aber dessen Auftauchen war wohl zu unwahrscheinlich.

Leicht neigte Nora den Kopf und musterte den Jungen, der sie so unvermittelt angesprochen hatte. Er war offensichtlich ein Schüler, aber bereits in einer der höheren Klassen, Nora tippte auf den Abschlussjahrgang. Auf den ersten Blick wirkte er sympathisch und die Tatsache, dass er genauso früh wach war wie sie, ließ zu, dass Nora den Ansatz eines Lächelns zeigte.

"Hallo", begrüßte sie ihn schließlich, nachdem sie einige Sekunden hatte verstreichen lassen. "Das hier ist mein Lieblingsplatz gewesen, früher, als ich selbst noch zur Schule gegangen bin." Ihr Blick irrte zurück zu den Ländereien. "Es ist schön hier oben." Als sie den Jungen ansah, wirkten ihre Augen noch immer groß und traurig, doch gleichzeitig auch neugierig.

Raphael blieb stehen, als sie sich zu ihm umdrehte und ihn musterte. Was er seinerseits aber auch tat. Sie trug keine Schuluniform und ihr Gesicht kam ihm auch nicht bekannt vor, also offensichtlich keine Schülerin. Da sie aber noch jung aussah, vermutete er, dass es sich vielleicht um eine Studentin der Univeristät handeln könnte.
Und genau dies bekam er bestätigt, als sie ihn seinerseits begrüßte. Zumindest, dass sie keine Schülerin mehr war.

Raphael lächelte. "Ja, dieser Platz ist wirklich sehr gut, wenn man mal etwas Zeit für sich haben und nachdenken möchte."
Als ihr Blick wieder zu den Ländereien zurückkehrte, ließ Raphael auch noch den letzten Abstand zwischen ihnen verschwinden und setzte sich neben sie auf den Sims. "Es ist doch okay, wenn ich mir hinsetz?"
Auch sein Blick glitt nun kurz über die Ländereien, kehrte aber schnell wieder zurück, als sie sich ihm wieder zuwandte.

Erst jetzt fielen ihm ihre groß wirkenden Augen auf, die auf ihn sehr traurig wirkten. Vielleicht ging es ihr gerade nicht so gut und er sollte doch wieder gehen?
"Ich kann dich auch gerne wieder alleine lassen, sollte ich gestört haben." Seine Stimme war freundlich und warm. Schließlich sollte sie ja nicht denken, dass er sich hier aufdrängen wollte. Da ihm sonst nichts besonderes mehr einfiel, sprach einfach drauf los, was ihm gerade in den Sinn kam. "Es ist nicht oft jemanden hier so früh am Tag. Die meisten Schüler schlafen noch, aber irgendwie wurde ich hier hingetrieben." Erneut glitt sein Blick über die Ländereien und er zuckte kurz mit den Schultern.

Für einen Moment war Nora wirklich versucht, nein zu sagen und ihn wieder fortzuschicken. Dieser Platz war etwas ganz besonderes für sie und sie wollte ihn nicht mit jemand anderes teilen, außer ...
"Nein, kein Thema, setz dich ruhig." Wäre ja gelacht, wenn sie nun auch noch sentimental wurde und öffentliche Plätze für sich beanspruchen würde. Nein, irgendwo musste sie einen Schlussstrich ziehen - und da fing man am besten im Kleinen an.

"Bleib ruhig, es ist wirklich ok für mich", bestätigte sie noch einmal und gleichzeitig sich selbst. Seit jeher war sie ein kommunikativer Mensch gewesen und hatte noch nie zu denen gehört, die irgendetwas am Alter festmachten. Entweder man mochte einen Menschen wegen seiner Persönlichkeit oder man mochte ihn nicht, aber das hatte wenig mit dem Alter zu tun.
Außnahmen waren alterstypische Handlungsweisen. Mit diesen ewig giggelnden und hysterisch kreischenden Mädchen in der Pubertät konnte sie auch nichts anfangen, genauso wenig wie mit Menschen, die nur noch vom Tod sprachen und deren einziger Gedanke sich um die Frage kreiste, welchen Gedanken man wohl als letztes haben konnte.

"Ich mag die frühe Morgenstunde. Die meisten Menschen schlafen noch und es ist ruhig. Wundervoll!" Nora zwinkerte ihrem Gegenüber zu, nicht dass er noch falsche Schlüsse zog. Sie war hierher gekommen, um nachzudenken, aber vielleicht war Ablenkung wirklich das beste?

Resolut streckte sie ihm die Hand entgegen. "Ich bin Nora."

Nebenplay beendet und somit verschoben.